Traumstadt |
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"Rettet die Traumstadt"
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Oswald Malura 1977 IN DER TRAUMSTADT In der
Traumstadt ist ein Lächen stehn geblieben; Peter Paul Althaus alliteraverlag Was war Traumstadt? Maler, Bildhauer, Musiker, Schriftsteller, Schauspieler, Handwerker,
Beamte, Kaufleute, Dichter und mehr..... Mit dem Tod war er jahrelang auf vertrautem Fuß gestanden.
Er hatte sich von den Münchner Stadtvätern auf dem Nordfriedhof
ein »kommodes« Ehrengrab schenken lassen und die Inschrift
für seinen Grabstein entworfen, aber der Tod vergönnte dem ergreifend
schwach und gebrechlich gewordenen Poeten immer wieder eine Gnadenfrist.
In der Nacht zum 16. September 1965 war es dann doch soweit - Peter Paul
Althaus zog sich für immer von Schwabing zurück, für das
er so etwas wie Mythos und Gewissen geworden war. Gern hat man ihn einen letzten Schwabinger genannt. Aber
PPA/ der mehr als vierzig Jahre unter den Dächern hinter dem Siegestor
gelebt hat, war mit Schwabing immer weniger zufrieden gewesen. Zornig
wandelte er den bekannten Ausspruch der Gräfin Reventlow ab: »Schwabing
ist kein Zustand, Schwabing - das sind Zustände.« Und er, der
westfälische Spökenkieker, der am 28. Juli 1892 in Münster
zur Welt und 1922 nach München gekommen war, erdichtete sich eine
Gegenwelt: die Traumstadt. Gestorben ist er zwar in seinem Schwabinger
Heim, 117 Treppenstufen über dem allzeit belebten Boulevard, den
er viele Jahre nicht mehr betreten hatte und auch nicht mehr hatte betreten
können, gelebt aber hat er immer intensiver in einer imaginären
und unrealen Welt, eben in seiner »Traumstadt«, der er nicht
nur ein Gedichtbuch widmete, sondern in der er auch das höchste Amt
versah: das des »Bürgermeisters« und als solcher verlieh
er Ehrenzeichen wie die Silberne Seerose und Urkunden - Produkte einer
skurrilen Phantasie. Und jeder, den er damit bedachte, machte das geistreiche
Spiel mit und war sogar stolz darauf, ein Würdenträger von PPA-Gnaden
zu sein.Selbst Münchens damaliger Oberbürgermeister Hans-Jochen
Vogel, der viel Sinn für dieses alte Schwabing hatte, redete den
Boß der Traumstadt mit »Kollege« an und rühmte
ihm nach, er, der einfallsreiche Dachstubenpoet, habe mit seiner Traumstadt
München einen neuen Stadtteil »eingemeindet«. In der Tat, je älter er geworden war - und er hat es
trotz allem auf gut 73 Jahre gebracht - um so verspielter war er geworden.
Er spielte mit seinen Katzen, die bis zuletzt um ihn waren, mit Flöten,
mit dem Tonband, das ihm immer wieder »Botschaften« an seine
Freunde ermöglichte, vor allem aber spielte er mit Worten - in seinen
Versen wie in den bereits erwähnten Traumstadt-Urkunden. »Sonderbarerweise
kommt in dies Spielen immer wieder ,von selbst, ein tieferer Sinn«,
meinte er einmal. »Ich bin dann stets erstaunt. Staunen können
muß wohl eine Voraussetzung für künstlerisches Schaffen
sein.«Indessen, man würde ihm nicht gerechte sähe man
ihn nur unter dem Aspekt seiner letzten Jahre, unter dem der Matratzengruft,
die ihn beinahe ebenso lange festgehalten hat wie einst Heinrich Heine.
Vordem nämlich hatte er ein gar nicht so unbewegtes Leben geführt.
»Ich war«, so ist in einer autobiographischen Skizze über
die Stationen seines Lebens zu lesen, »nacheinander (zuweilen miteinander):
Säugling, Kind, Schüler, Gymnasiast, Apothekerlehrling, Soldat,
stud. phil., Pressereferent, Schmierenschauspieler, Herausgeber zweier
Zeitschriften, Theaterdramaturg, Übersetzer freier Schriftsteller,
Kabarettist Rundfunkautor, Ehemann, Rundfunkdramaturg, Soldat/ Lektor,
freier Schriftsteller.« Daß er im Ersten Weltkrieg Leutnant
und im Zweiten sogar Hauptmann war, will für viele ebensowenig in
das Bild von PPA passen, wie, daß er als Anreger stets viel Aktivität
und als Autor viel Fleiß entfaltet hat. Zu seinen Hobbys gehörte seit eh und je das Kabarett,
er rief 1930, nachdem er vorher bei Kathi Kobus im alten »Simplicissimus«
aufgetreten war, den »Zwiebelfisch« ins Leben, 1947 die »Schwabinger
Laterne« und ein Jahr darauf das »Monopteroß«,
das es zu etlichem Ansehen brachte. Er übersetzte mystische Lyrik
aus dem indischen Mittelalter, Voltaires »Geschichte Karls des XIL«,
altrussische Kirchenlieder und Texte aus dem Englischen. Molieres »Tartuffe«
übertrug er erstmals im Originalversmaß. Er verfaßte
Bühnenstücke, von denen eines in Köln uraufgeführt
wurde, er gab »Das Lalebuch« neu heraus, desgleichen einige
Anthologien, er schrieb zahllose Rundfunksendungen, bei denen er meistens
selber vor dem Mikrophon gestanden hat, und schließlich, in den
letzten anderthalb Jahrzehnten seines Lebens, nicht weniger als sechs
Gedichtbücher, von denen das letzte posthum erschien. Es sind dies
die poetische »Traumstadt« von 1951, die vergnüglichen
Verse um »Dr. Enzian«, dessen Name ebenso wie der seiner Kollegen
Dr. Korn und Dr. Kümmel nicht von ungefähr alkoholische Assoziationen
weckt; die anmutigen »Flower Tales«, in denen er Blumen über
ihre wie auch über menschliche Schicksale monologisieren ließ;
die »Seelenwandertouren«, »Wir sanften Irren«,
zu denen er sich unbekümmert selber zählte, und schließlich
aus dem Nachlaß »PPA läßt nochmals grüßen«. So erfreulich und berechtigt es ist, daß Schwabing
seinen Peter Paul Althaus nicht in Vergessenheit geraten ließ -
an dem Hause in der Trautenwolfstraße, in dem er viele Jahre gelebt
hat, erinnert eine Gedächtnistafel an ihn, eine Nebenstraße
der Osterwaldstraße erhielt seinen Namen und in der Galerie Oswald
Maluras hält die von PPA initiierte »Traumstadt« unter
Rolf Flügel immer noch zweimal im Jahre ihre musischen Bürgerversammlungen
ab - noch notwendiger und sinnvoller ist es, daß sein dichterisches
Werk, daß die genannten sechs Bändchen zugänglich bleiben
und weitere Verbreitung finden. Das war in den letzten Jahren nur noch
begrenzt der Fall. Jetzt aber hat der Süddeutsche Verlag PPA's Versbändchen
zur zehnten Wiederkehr seines Todestages neu herausgebracht -erstmals
alle sechs in einem nobel ausgestatteten Sammelband, der 19,80 Mark kostet,
also preiswerter ist, als es die Einzelbändchen je gewesen sind. Der Band, dem Rolf Flügel ein ebenso locker gefügtes
wie substantielles, also angemessenes Vorwort mitgab, überrascht
auf jeder Seite mit meist heiteren Wunderblüten der Althausschen
Phantasie. »Was nur Leidende und Sterbende erahnen im geheimen,
plauderten hier Götter lächelnd aus in leichten Reimen«,
heißt es in einem Traumstadtgedicht über geträumte Poesie.
Dieses ständige Hinübergleiten zwischen hell und dunkel, heiter
und ernst, wirklich und unwirklich, schwer und schwebend gibt den Versen
ihren unverwechselbaren Reiz, rückt viele von ihnen in die Nähe
bester surrealistischer Graphik, läßt sie also zeitnaher, moderner
erscheinen als etwa die Verse Morgensterns - von dem er freilich gelernt
hat, ohne ihn nachzuahmen; auch nicht in den Gedichten um »Dr. Enzian«,
der Lachtauben mit Weintrauben füttert, der in seinem Zimmer unter
Gewimmer »Lügen straft«, der aus Elefanten wieder Mücken
macht, der Händedrücke von berühmten Männern sammelt,
der manchmal »ein wenig Zeit« in eine Kassette tut (»Anatol,
sein Diener, der die Zeit verschwendet, hat schon öfter aus dem Kästchen
was entwendet«) und Dutzende solcher Wortklaubereien ä la Valentin
anpeilt, die zu skurrilen Miniaturszenen oder Genrebildchen voll tieferer
Bedeutung ausgestaltet werden. Viele der »Dr. Enzian«-Gedichte,
der »Flower Tales« und der ebenfalls in Monologform gehaltenen
Irren-Gedichte sind auf die Pointe hin geschrieben, also durchaus zum
Vertrag, etwa auf dem Brettl, geeignet, aber sie geben mehr als nur Pointen,
diese geistvollen Eulenspiegeleien geben dazu Vorgänge, Meditationen,
Atmosphäre, und sie verwirklichen hohe, nicht selten virtuos gemeisterte
Reim- und Sprachkunst von Mozartscher Heiterkeit. Eines seiner schönsten Gedichte beginnt mit den Zeilen: »In der Traumstadt ist ein Lächeln stehn geblieben; niemand weiß, wem es gehört.« Doch wem es zu verdanken ist, wissen wir. Es wird auch in Schwabing lange noch steh'n bleiben. Karl Ude alliteraverlag Ehepaar Ude mit Oswald 1991 DIE TRAUMSTADT
Traumstadt Treffpunkt
(* 28. Juli 1892 in Münster; † 16. September
1965 in München) war ein deutscher Kabarettist, Hörspieldramaturg
und Dichter. Er lebte in München-Schwabing. 1941 bis 1945 war er Hauptmann einer Transportkompanie im
Zweiten Weltkrieg. Danach arbeitete er wieder für den Bayerischen
Rundfunk und als freier Kabarettist (Schwabinger Laterne 1947, Monopteross
1948). 1948 gründete er den Künstlerkreis Seerose, der noch
heute besteht. 1951 erschien sein bekanntestes Werk In der Traumstadt
(auch Traumstadtgedichte). Ab 1952 widmete sich PPA ausschließlich
dem Schreiben.
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